Fast unmerklich löst der Begriff „Tierrechte“ den viel älteren des „Tierschutzes“ ab. Die meisten der in den letzten zwei Jahrzehnten gegründeten Tierschutzgruppen und deren Verbände führen inzwischen „Tierrechte“ im Namen; Bücher und Texte benutzen ebenso wie Privatpersonen zunehmend lieber das neue als das alte Wort. Sogar in Boulevardzeitungen taucht es immer häufiger auf, obwohl anzunehmen ist, dass sie nicht wissen, wovon sie reden. Aber wissen es diejenigen, die sich selbst als Tierrechtler/innen bezeichnen, so genau? Gibt es überhaupt eine allgemeingültige Definition?
Im Tierschutz hat man sich eingerichtet. Seit über hundert Jahren gibt es Institutionen und Gesetze, die im Lauf der Zeit vermehrt und verbessert wurden. Und die öffentliche Einstellung ist nahezu einhellig: Man ist dafür. In unserem Kulturkreis gehört Tierschutz zum guten Ton, zum zivilisatorischen Selbstverständnis. Doch vor rund zwanzig Jahren begann sich eine diffuse Unzufriedenheit auszubreiten: Es konnte etwas nicht stimmen mit einem Tierschutzverständnis, unter dessen Ägide sich ungebremst ganze Systeme massenhafter Grausamkeit entwickeln konnten. Was da so langsam ins Bewusstsein der Öffentlichkeit drang, Fotos und Berichte aus der zu einer Industrie angeschwollenen Praxis der Tierversuche, der „Nutztierhaltung“, der „Pelztierzucht“, sprengte den Selbstbetrug einer sich zivilisiert glaubenden Gesellschaft. Allein das Ausmaß der im Windschatten des Wiederaufbaus ganz legal oder in unbeachteten Grauzonen etablierten Tierausbeutung überstieg jede Vorstellung. Alle Informationen handelten von Millionen und Abermillionen Tieren. Und die dokumentierten Details des Umgangs mit den angeblich geschützten Wesen waren nicht gerade geeignet, Vertrauen in einen funktionsfähigen Tierschutz gesetzlicher oder moralischer Art zu stiften. Sensible Menschen wurden um den Schlaf gebracht von den Bildern eingepferchter Hühner, gefesselter Muttersauen, aufgeschlitzter Mäuse, zerstückelter Beagles, in stereotaktischen Geräten unbeweglich gemachter Affen, in Stehsärgen lebendig aufgebahrter Kälbchen oder Katzen mit ausgestochenen Augen; von Schilderungen der „normalen“ Tötung von Katzen, Nerzen, Füchsen und „überzähligen“ Versuchstieren durch Vergasen.
Die große Mehrheit fand sich aber nach den ersten Schocks mit den scheinbar unabänderlichen Tatsachen ab. Der menschlichen Psyche stehen mancherlei Wege zur Verfügung, um unerträgliche Wahrheiten abzublocken, die das wohleingerichtete Weltbild und Lebensgefühl stören könnten. Der gebräuchlichste ist die Verdrängung. Wie Beton legt sie sich über das, was man nicht wahrhaben will. Ebenso beliebt ist die Rationalisierung “ die wie von Zauberhand sich einstellende Fähigkeit, noch für das Schlimmste einen rechtfertigenden Grund zu finden. Den meisten genügt im Fall der maßlosen Untaten, die hier in Rede stehen, die „Erklärung“, dass die Opfer ja keine Menschen sind, und dass ihr “ bedauerliches “ Unheil doch dem höherwertigen Wesen Mensch zugute komme. Die sich unabweisbar aufdrängenden Vergleiche mit den Gräueln, die im 20. Jahrhundert und auch früher, gleichfalls massenhaft und im Namen „höherer Arten“, an Menschen verübt worden sind, gelten als tabu und werden mit allen Mitteln, bis hin zu Strafanzeigen, abgewehrt.
Die uralte Grenzziehung zwischen Menschen und Tieren (oder, wie im englischen Sprachraum durchweg formuliert wird: zwischen Menschen und anderen Tieren) rastete wieder ein. Für das Gefühl der meisten ist es letztlich doch etwas ganz anderes, ob Katzenaugen ausgestochen werden oder Menschenaugen, ob man Kühen ihre Kinder raubt oder Menschenmüttern. Dieses Gefühl gilt als natürlich und wird auf Befragen auch so begründet. So tief ist die selbst erteilte Legitimation für das Töten und Nutzen der nichtmenschlichen Lebewesen verinnerlicht, dass sie gar nicht mehr hinterfragt wird. Die damit notwendigerweise verbundenen Schmerzen und Leiden werden als unvermeidlich hingenommen, wenn man sie denn überhaupt zur Kenntnis nimmt. Erst das „Übermaß“ erzeugt einigen Schrecken.
Vielen aber, bei denen die Beruhigungsmechanismen aus diesen oder jenen Gründen nicht funktionierten, dämmerte angesichts des ausgeuferten „Übermaßes“, dass dieses nur eine im Massenzeitalter geradezu logische Konsequenz der niedrigen Bewertung des Tierlebens ist. Wenn Tiere erst einmal als Gebrauchsartikel abgestempelt sind (in den Fleisch-Pelz- und Lederabteilungen der Kaufhäuser kann man das wörtlich nehmen), dann brauchten mehr Menschen eben mehr Tiere. Und wenn sie ohnehin als Nahrungs- und Kleidungsgrundlage dienen, dann darf eine fortgeschrittene Medizin und Forschung sie wohl auch für das hohe Gut der menschlichen Gesundheit nutzen. Woher aber kommt das verbreitete Unbehagen, sobald man der Opfer gewahr wird? Gebrauchsartikel, die leiden können, sind ein merkwürdiger Widerspruch. Noch merkwürdiger ist, dass ihre Leiden den menschlichen so auffallend ähnlich sehen. So „ganz anders“ sind sie offensichtlich doch nicht. Die Frage kam auf, ob mensch diese Ähnlichkeit, diese Gleichheit, nicht künstlich übersah, um ohne Gewissensnöte seinen Vorteil ziehen zu können.
Das Argument, dass es „immer schon so war“, stach nicht mehr recht. Viele tausendjährige Überzeugungen waren unter den moralischen Kategorien Gleichheit und Gerechtigkeit zerbrochen. Gleiches gleich zu bewerten, ist die Essenz dieser Prinzipien. Warum sollten sie nur für die menschliche Spezies gelten? Mussten auf dieser Grundlage nicht auch nichtmenschlichen, aber leidensfähigen Lebewesen Rechte zur Sicherung ihrer elementaren Bedürfnisse zugestanden werden, etwa das Recht auf körperliche Unversehrtheit? Auch der klassische Tierschutz will natürlich Tiere vor Leiden durch den Menschen schützen, aber nur unterhalb der menschlichen Interessen. An so etwas wie Gleichberechtigung für Tiere zu denken, erschien ihm ebenso absurd wie dem Rest der Welt. Sein Weltbild blieb anthropozentrisch. Das Recht des Menschen auf „notwendige“ Tiernutzung im „normalen“ Rahmen war nie angezweifelt worden.
Anfang der 80er Jahre traten plötzlich neue Leute auf den Plan, die die Akzente anders setzten. Sie forderten Gerechtigkeit für Tiere, nicht mehr nur die Eindämmung des Missbrauchs. Sie wollten keine „größeren Käfige“, keine „ökologische Jagd“, keine „sanften Dressuren“ im Zirkus, keine „auf das Notwendige beschränkten“ Tierversuche. Sie wollten keine Bescheidenheit. Ihnen war nicht zu vermitteln, im Namen der Tiere, die nicht für sich selbst sprechen und sich nicht wehren konnten, auf deren Kosten Zugeständnisse zu machen; kein Eingriff in ihr Leben, außer zu Rettung und Hilfe, konnte in ihrem Interesse liegen. So rückten die neuen und neuartigen Tierschutzgesinnten die Interessen der Tiere in den Mittelpunkt und maßen sie nicht mehr an denen des Menschen.
Die Newcomer mussten bald erkennen, dass der traditionelle, organisierte Tierschutz nichts von ihnen wissen wollte, ja eine feindselige Haltung einnahm. Das verblüffte anfangs viele, die selbst zuerst nur mit mehr Lautstärke und Sichtbarkeit dem „Tierschutz“, wie immer man ihn verstand, mehr Geltung verschaffen wollten. Demos mit Lautsprechern und öffentliche Informationsstände schienen geeignet, den herkömmlichen betulichen Stil zu modernisieren und die Trommel zu rühren. Die neuen Inhalte waren noch kaum angedacht. Doch gerade die Frontstellung der gesellschaftlich akzeptierten Organisationen gegen die „Radikalen“ trug durch die Frage nach dem Warum viel dazu bei, dass sich die eigenen Gedanken schneller klärten.
Die Neuen fingen an, sich lose zu organisieren, viele unter dem Namen „Tierversuchsgegner“, doch mit Aktivitäten auch auf anderen Feldern und begannen auf eigene Faust zu handeln und zu denken. Anders als in den bisherigen Vereinen kamen in den neuen Bürgerinitiativen die (nur formlos als solche definierten) Mitglieder häufig, oft wöchentlich, zusammen, redeten, diskutierten und tauschten Informationen aus. Die Treffen waren offen für alle Interessierten; sektenhaftes Verhalten lag nicht in der Natur der Sache, die ja in die Öffentlichkeit hinaus wirken wollte. Das erklärte Ziel war: Bewusstseinsbildung. Auf Demonstrationen und Veranstaltungen im In- und Ausland trafen sich Gesinnungsfreunde. So entstand erstmals ein breites Forum für die „Tierfrage“, nach Möglichkeit mit Presse. Was hier einsetzte, war ein ständiger Prozess der Meinungsbildung, der bis heute anhält. Streitpunkte gab und gibt es genug. Aber wie kann man erwarten, dass bei einem Jahrhunderte, Jahrtausende vernachlässigten Thema mit einem Schlag eine Einheitsmeinung aus dem Boden schießt?
Allmählich schälten sich aber die Kernpunkte heraus, die die „selbsternannten“ Tierschützer/innen (wer hätte sie ernennen sollen?) in Widerspruch zu den gesellschaftlich akzeptierten, unpolitischen, karitativ orientierten, gebracht hatten. Es waren nicht nur die äußeren Formen ihres Auftretens. Vielmehr realisierten sie mehr und mehr, dass der Schutzgedanke allein, ohne weiterführende Perspektive, keinen Zukunftskeim enthält. Im Massenzeitalter würde er immer weiter an den Rand gedrängt werden, eine Art Sondermüllentsorgung der von der Gesellschaft permanent aufs neue produzierten Probleme. Mitleidige Menschen und gestresste Tierheimangestellte würden sich bis ans Ende der Tage dabei aufarbeiten, einzelnen armen Tieren aus der Not zu helfen, während weitaus stärkere Kräfte Millionen ausbeuteten und vernichteten.
Phantasie und Mut waren gefragt, denn Vorbilder für offensiven. Tierschutz gab es nicht. Bücher waren noch nicht auf dem Markt, allenfalls auf Englisch und schwer aufzutreiben. Handgefertigte Flugblätter machten in schlechten Kopien die Runde. Und Geld war auch keines da. Aber dafür Leidenschaft und Aktivitätsdrang. Eine Fülle von öffentlichen Veranstaltungen und spektakulären Aktionen bestimmte das Bild. Es gab hervorragende Redner und einfallsreiche Mitarbeiter. Was es nicht gab, war eine Führung. So entstand eine „Bewegung von unten“. Die Idee vom eigenen Recht der Tiere wurde immer enger umkreist. Das alle verbindende Grundgefühl von der elementaren Gleichheit menschlicher und tierlicher Bedürfnisse und die Anerkennung der Würde der Tiere gab eine innere Richtschnur, die die Einzelnen durch ihren Alltag begleitete und bei gemeinsamen Plänen schnell einen Konsens finden ließ. Die fluktuierenden Gruppen stellten keine Kaderschmieden dar, schon mangels theoretischer Grundlagen, sondern eine Art Schulen, in denen der Lehrstoff gegenseitig aufgenommen wurde. So übte man sich zum Beispiel in der Vermeidung eingefahrener Redewendungen, die Tiere herabsetzen. Und wer noch nicht bei vegetarischer Lebensweise angelangt war, kam bald von selbst dahin.
Wie aber sollte die Gesellschaft überzeugt werden, die Tiere in Ruhe zu lassen? Die werdenden Tierrechtler/innen sprachen zwar von der Tyrannei des Menschen über die anderen Tiere, aber sie wussten auch nicht, wie die zu beseitigen wäre. Das war das Ziel, das in weiter Ferne angepeilt wurde. Die Geschichte lehrt, dass es bei allen Bestrebungen, angemaßte Herrschaft und Willkür abzuschütteln, darum geht, den Unterdrückten Rechte zu erkämpfen und zu sichern. Über die Artengrenze hinauszudenken stellt für diejenigen, die die perfide Künstlichkeit der egoistischen Grenzziehung einmal durchschaut haben, kein Problem dar. Hier liegt die Wegkreuzung, an der Tierrechtsdenken vom traditionellen Tierschutz abzweigt: Die grundsätzliche Anerkennung der Rechte der Tiere auf ihr eigenes tierliches Leben wurde die Zielvorgabe, nicht die punktuelle Milderung ihrer Abhängigkeit, die nicht nur eine permanente Quelle für Qual und Not darstellt, sondern die Qual und Not selbst ist.
Es gibt immerhin Beispiele dafür, dass moralische Forderungen zu politischen gemacht und schließlich ins Recht gesetzt worden waren. Von Gandhi bis zum Vietnamkrieg und den Bürgerrechtsbewegungen hatte es sich immer um die Herausforderung einer scheinbar unüberwindlichen Übermacht gehandelt. Ließ sich daraus etwas für die entstehende Tierrechtsbewegung lernen? Einige Aktive setzten auf die Tat und kündigten mit Tierbefreiungen aus Versuchslabors, der Zerstörung von Foltereinrichtungen oder der Behinderung tierfeindlicher Tätigkeiten die Legalität auf. Dass solche Handlungen nach dem Gesetz Diebstahl, Sachbeschädigung oder Nötigung hießen, war uninteressant, da die Gesetze ja das Unrecht gegen die Tiere schützen. Auch Sklavenhalter waren zu ihrer Zeit durch das Gesetz geschützt. Tierbefreiungen waren (und sind) konkrete Nothilfe und dienten dazu, den Blick auf das legalisierte Unrecht zu lenken. Da sie höchst medienwirksam waren, erfüllten sie ihren Zweck. In der Bevölkerung brachten sie enorme Sympathien. Umso kälter ließ die Tierbefreier/innen der von Teilen des organisierten Tierschutzes erhobene Vorwurf der „Gewalt“. Zu lächerlich war er angesichts der überdimensionalen Gewalt, die den Tieren angetan wurde. Aber das Band war ohnehin schon zerschnitten. Tierschutz und Tierschutz war nicht mehr dasselbe. Im übrigen hat “ bis zum heutigen Tag “ nie jemand aus der Tierrechtsszene physische Gewalt gegen Lebewesen, Mensch oder Tier, angewandt. Das ist Wunschdenken derer, denen die ganze Richtung nicht passt.
Den legalen wie den illegalen Aktionen ging es zunächst darum, Aufsehen zu erregen, den Konsens der Verdrängung und Rationalisierung aufzubrechen. Ein geschlossenes Konzept oder gar eine „Ideologie“ lag all diesen sozusagen wildwachsenden Aktivitäten nicht zugrunde. Doch fällt auf, dass bei so vielen Menschen landauf, landab offenbar die gleichen Gefühle und Gedanken nach Äußerung drängten und ein Echo fanden. Auch die Medien sprangen an. Konnte man nicht glauben, dass „die Zeit reif“ war?
Sie war es nicht. Jedenfalls nicht für eine in absehbarer Zeit zu erhoffende Perestroika. Die Tierrechtsbewegung hatte sich zwar nie der Illusion hingegeben, in ein paar Jahren die Menschheit zur Aufgabe ihrer Privilegien zu bewegen, aber sie hatte doch die Widerstände gewaltig unterschätzt, die sich gegen ein Umdenken stemmen. Die Macht über die Tiere bildet einen Eckpfeiler, wenn nicht das Fundament der menschlichen Kulturen. Ein so gigantischer Überbau wurde über dem Töten und Essen errichtet, dass es in der Tat utopisch erscheint, ihn mit so schwachen Waffen wie Recht und Moral zu Fall zu bringen.
Die Tierrechtsbewegung ist in ein ruhigeres Fahrwasser gekommen. Von der Straße ins Internet. Aber das heißt nicht, dass sie ihre Ideen und Ziele zurückgestutzt hätte, anpasserisch geworden oder an der Realität gescheitert wäre. Sie hat sogar noch radikalere Strömungen hervorgebracht, wie den Veganismus. Das schlägt sich in vielen Publikationen nieder, darunter Kochbüchern und Rezeptsammlungen, auch in der Gründung von Vegan-Versandgeschäften zur praktischen Hilfe, um Pionierarbeit für eine veränderte Esskultur zu leisten. Der Anspruch der einzelnen an das eigene Verhalten ist gestiegen. Auf der theoretischen Ebene erscheinen zunehmend Bücher zum Thema, die die Argumente schärfen. International ist die Entwicklung in den angelsächsischen Ländern am weitesten, wo schon früh sich auch die akademische Philosophie der Tierfrage angenommen hat. Die Werke der Professoren Tom Regan (USA) und Peter Singer (Australien) sind Lehrstoff an den Universitäten und Diskussionsstoff in der Öffentlichkeit, „Animal Rights“ ist ein stehender Begriff geworden. Und wer hätte vor Jahren geglaubt, dass die italienischen „animalisti“ mit über 20 000 Teilnehmern für die „diritti degli animali“ durch die Straßen von Rom ziehen würden, wie es in den letzten drei Sommern geschehen ist ?
In Deutschland mangelt es zur Zeit an kämpferischem Auftreten. Die publikumswirksamen Aktivitäten, die großen Demos und spannenden Sponti-Aktionen haben sich in ihren Formen weitgehend erschöpft, zumal Wiederholungen für die Medien auf Dauer kein Futter mehr abgeben und damit ihren Sinn verlieren. Immerhin hat sich diese Art von Öffentlichkeitsarbeit über fünfzehn Jahre gehalten und einen merklichen Bewusstseinsschub bewirkt. In vielen Köpfen wirkt sie weiter. Eine neue Idee war in die Welt gekommen, und Ideen haben ihre eigene Wirkungsgeschichte . Der zehnjährige Kampf um Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz, (was bei weitem noch nicht die Installierung von Tierrechten bedeutet hätte, aber einen Schritt auf dem Weg), hat zwar gerade eine Parlamentsschlacht verloren. Doch hat sich auch hier gezeigt, dass die höhere Bewertung des Tierlebens schon in die Köpfe gedrungen ist. Wenn vier von fünf politischen Parteien den Antrag unterstützen und nur die CDU/CSU (als eine gerechnet ) mit zynischer Hartnäckigkeit den Weg abblockt, gegen den immer wieder in Umfragen ermittelten Willen von über 80% der Bevölkerung, dann ergibt das ein deutliches Bild: Die Ideen sind auf einem guten Weg, aber die Macht liegt nach wie vor bei den wirtschaftlichen Interessen. Das muss nicht immer so bleiben. Die Kommentare in den Medien waren von einhelliger Empörung gekennzeichnet.
Die Tierrechtsbewegung im engeren Sinne hat sich zeitgemäß zu professionalisieren begonnen. Von der Baustelle, auf der Baumaterialien zusammengetragen wurden, ist sie in die Büros im schon errichteten ersten Stock umgezogen. Architekten brüten über An- und Ausbauplänen, Lieferanten kommen laufend mit neuen Angeboten. Und, ohne es zu wollen, karren aparterweise gerade die biologischen Wissenschaften massenhaft Zement herbei, indem sie die Nachweise für die Gleichheit, ja Identität der inneren Strukturen bei Menschen und anderen (Wirbel-)Tieren erbringen, die unser aller Grundbedürfnisse bestimmen.
Um im Bild zu bleiben: Das Fundament steht. Die Tierrechtsidee ist nicht mehr auszuhebeln, da sie sich mit zwingender Logik aus dem Gleichheitsprinzip ergibt. Die Wege, die gesellschaftliche Moral den wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Gerechtigkeitsgrundsatz anzupassen und aus ihrer zur Schizophrenie gewordenen Irrationalität zu befreien, sind vielfältig.
Im weiteren Sinne lässt sich heute unter Tierrechtsbewegung alles verstehen, was sich auf den Grundgedanken stützt, dass Tiere ein Recht auf ihr eigenes, vom Menschen nicht manipuliertes Leben haben und auf ihren eigenen Tod. Jede/r einzelne kann sich dazu rechnen, wenn er sich bemüht, in diesem Sinn zu denken und zu handeln, so klein der Beitrag sein mag. Auch Kinder, wenn sie Gummibärchen verweigern, weil sie wissen, was drin ist.
Sina Walden
<h4>Sina Walden lebt nach abgeschlossenem Jurastudium (Berlin) und Studiengängen in Literatur und Philosohpie (Zürich) als freie Publizisten, Fernsehautorin und Übersetzerin in München und Italien. Im Rowohlt Verlag erschien ihr Buch „Endzeit für Tiere“ (leider vergriffen).<br> </h4>
<h4>Zuerst erschienen in:<a href=“http://tierrechte.de/“ target=“_new“> „tierrechte 2.00“ </a></h4>