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Buchkritik: Jane  Shapiro: Der Göttergatte

»Der Göttergatte«, neuer Roman der amerikanischen Autorin Jane Shapiro, beleuchtet mit den Mitteln des schwarzen Humors die Abgründe einer amerikanischen Familie. Die nicht mit Kindern, dafür aber mit Haustieren gesegnet ist. Ein Hund, eine Katze und ein Frosch werden hineingerissen in den Kreislauf des alltäglichen Nichtverstehens, in dem aus Liebe Gewalt wird ….

Menschen finden ihre Identität in der Abgrenzung vom Tier. Ein ebenso grausames wie alltägliches Geschehen, das im Spiegel der Literatur, gelegentlich zumindest, an Selbstverständlichkeit verliert. Die amerikanische Autorin Jane Shapiro hat einen Roman vorgelegt, in dem dies erfreulicherweise der Fall ist. In »Der Göttergatte« schlägt die Liebe zu – »mit voller Wucht, so wie man es hier in Amerika von ihr erwartet« – und macht aus einer freiberuflichen Fotografin, einem Soziologen namens Dennis und drei Haustieren eine amerikanische Familie. Mit den zu befürchtenden katastrophalen Folgen. Vor allem für die Tiere. An dem, was ihnen widerfährt, wird der ganz alltägliche Wahnsinn offenkundig: gestörte Wahrnehmung, Realitätsvernichtung, die Unfähigkeit zur Kommunikation, die Verachtung des Lebendigen und Kreatürlichen.

Dennis ist ein Tollpatsch. Was immer er anfasst: Es entgleitet ihm, es zerschellt. Wo er sich aufhält, welken Zimmerpflanzen, rosten Scheren. Es scheint, als probe die gegenständliche Welt den Aufstand gegen die gestörte Wahrnehmung dieses intellektuellen Unglücksraben und seine vergeblichen Versuche, sich und die Welt unter Kontrolle zu bekommen. In den Haustieren spiegelt sich die verkrüppelte kreatürliche Seite seiner Existenz: Bianca, der Frosch, kämpft in einem Eimer mit Deckel im Keller ums nackte Überleben. Ikarus, die Katze, hat als Jungtier einen von Dennis verursachten Küchenbrand nur knapp überlebt und fristet ihr Dasein seither aus Sicherheitsgründen im Schrank. Und Raleigh, der Hund, bezahlt sein hundetypisches Vertrauen in die Führungsqualitäten seines Herrchens mit dem Leben. Auch für die Frau ist der Zustand körperlicher Unversehrtheit bald Geschichte, weil Dennis sie permanent über den Haufen rennt. Der Bezug zwischen den Worten und den Dingen ist unheilbar zerrüttet. Akademisch geschulte Beziehungsgespräche verlaufen im Sand, Verstehen ist nicht möglich.

Auch dann nicht, wenn die Befindlichkeit des Frosches zur Debatte steht. Sie: »Ihre Haut sieht angespannt aus.« Er: »Es ist Froschhaut.« Sie: »Sie sieht geschwollen aus.« Er: »Das ist sie nicht.« Sie: »Mir kommt es aber so vor.« Er: »Nein, das ist sie wirklich nicht.« – Sie: »Ich finde, sie ist sehr geschwollen.« – Er: »Warte mal – du darfst Amphibien nicht mit Menschen verwechseln.«

Doch die Frau zieht dieses Identifikationsverbot in Zweifel. Erkennt im Schicksal der Tiere das eigene. Beschäftigt sich mit ihnen: »In den Vereinigten Staaten geben zwei Millionen Frösche jährlich ihre Beine für Vorspeisen. Frösche geben Geräusche von sich. Manchmal klingen ihre Schreie beinahe menschlich.«

Wenn Wahrnehmungen dieser Art das Bewusstsein zu durchdringen beginnen, werden banale Alltagshandlungen zu Manifestationen des Grauens. Die Frau beobachtet Dennis beim Einkauf im Metzgerladen: »Er beugte sich über die Theke, und der Metzger steckte ihm ein Stück Fleisch in den Mund.« Gier auf Totes, Worte von tödlicher Leere durchziehen diesen Beziehungskosmos, der immer bizarrer, immer wirklichkeitsfremder wird, Realiät ausschließt und vernichtet. Niemals wird der Name der Frau genannt, denn sie hat keinen Namen und braucht auch keinen in einer Welt, in der niemand sie wirklich anspricht. Die Kämpfe, in die sie sich verstrickt, um gemeint zu werden und um den anderen zu erreichen, sind so grotesk überspitzt und durchtränkt von schwarzem Humor, dass man aus dem Lachen nicht herauskommt. Obwohl – oder vielleicht weil – vieles so vertraut anmutet.

Die Rettung naht in Gestalt eines Auftragskillers Ein Dichter, der im Nebenerwerb Ehefrauen aus verfahrenen Situationen rettet. Eine Lichtgestalt, schwerelos elegant, frei von jeder Tötungshemmung. Dennis‘ Schicksal scheint besiegelt. Doch es kommt alles anders als erwartet …

Der Roman entlarvt die Nähe dessen, was wir unter Liebe verstehen, zur Gewalt. Und es tut dies umso radikaler und glaubwürdiger, weil es die Tiere miteinbezieht. Auch sie werden geliebt, und sie werden falsch geliebt, weil ihre Realität verfehlt wird, weil sie eingebunden sind in die Kreisläufe misslungener Identifikation, in denen jede Hoffnung auf Glück zugrunde geht. Der schwarze Humor des Buches entsteht in der grotesken Überspitzung des allzu Bekannten und Alltäglichen: ein Stilmittel, das auch Distanz ermöglicht. Und Erkenntnis. Nur das Lachen transzendiert das Gegebene und hält die Hoffnung auf Veränderung am Leben.

Dr. Brigitte Kohn

Jane Shapiro
Der Göttergatte
Taschenbuch
Wilhelm Goldmann Verlag, München, 2001
Preis: 7,45 Euro
ISBN 3-442-44845-X
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Originaltitel / Taschenbuch:
Jane Shapiro
The Dangerous Husband
Taschenbuch – 249 Seiten
Back Bay Books, 2000
Preis: $12.95
ISBN 0-316-78265-3
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Originaltitel / Hardcover:
Jane Shapiro
The Dangerous Husband
Gebundene Ausgabe – 249 Seiten
Little Brown and Company, 1999
Preis: $22.95
ISBN 0-316-78247-5
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