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Buchkritik: Das Leben der Tiere als Hörbuch – von J.M. Coetzee

Das bereits auf animal-rights.de besprochene »Leben der Tiere« ist inzwischen auch in einer Hörbuch-Fassung erschienen. Die Erzählung des zweimaligen Booker-Preisträgers J.M. Coetzee wird gelesen von Christian Brücker, Deutschlands berühmtesten Sprecher. (Sie kennen ihn wahrscheinlich aus zahlreichen Hörspielen und Dokumentarfilmen der letzten 30 Jahren und als »die Stimme« von Robert de Niro)

Lob

Der Rezensent befindet sich in der angenehmen Lage, bereits auf zahlreiche Kritiken des 2000 in Deutschland erschienenen Buches verweisen zu können, und insbesondere die Besprechungen von Sina Walden und Ute Esselmann auf animal-rights.de entbinden ihn von einer ausführlichen inhaltlichen Darstellung. Er möchte lediglich Sina Waldens Befürchtung, diese brillante Erzählung sei nicht jederfrau zugänglich, widersprechen. Coetzees so präziser, klarer und vielschichtiger Stil erschließt sich auch einem breiten Publikum; es braucht dazu keine literarischen Ambitionen – nur einen wachen Geist.

Was für den Text an sich zutrifft, gilt für das Hörbuch noch viel mehr. Christian Brückner ist zwar ein profilierter Sprecher und kann aus praktisch jeder Vorlage etwas machen. Doch sein Markenzeichen, seine spröde und zugleich sensible, melancholische und gelassene Stimme ist das perfekte Medium für Coetzees knappe, karge und doch so elegante Erzählweise. Auch bei wiederholtem Zuhören erschließen sich selbst dem Coetzee-Fan und Kenner neue, bisher nicht erkannte Dimensionen. Gerade die sprachliche Zurückhaltung und die Coetzees Personen oftmals zueigenen Widersprüche und Selbstzweifel werden von Brückner ideal transportiert und immer wieder neu beleuchtet.

Kritik

Wenn zwei Größen ihres Gebietes aufeinander treffen, trennt den Rezensenten nicht viel vom PR-Agenten. Aber Produzent Parlando hat ein Booklet beigelegt, und das macht zornig.
Das kleine Büchlein von acht Seiten mit dem orientierungsarmen Titel »Über die Würde der Kreatur und das menschliche Handeln« enthält ein Autorenportrait in wenigen Zeilen, einen stark gekürzten Auszug aus Kafkas »Bericht für eine Akademie« sowie zwei kurze Zeitungstexte von anno 2001. Kann der Spiegel mit seinen paar Zeilen zur Einschätzung der Tiere noch langweilen, ergeht sich der anderthalbseitige FAZ-Text in Schilderungen der Rinderschlachtung in BSE-Zeiten. Da werden Halsschlagadern durchtrennt, da werden Rinder mit meterlangen Rückenmarkszerstörern querschnittsgelähmt oder wachen vor dem »Entblutungsschnitt« auf. Eine solche Textkomposition im Booklet ist – freundlich formuliert – inkompatibel zu dem feinsinningen, differenzierten und oftmals zwischen den Zeilen geführtem Plädoyer von Coetzee und Brückner.
Mit dem Aufhänger BSE möchte das Hörbuch auf der kleinen Welle öffentlicher Diskussion über die Würde der Tiere angesichts des industralisierten Massenmordes reiten. Doch BSE ist kein Skandal mehr; mit Blut lässt sich niemand mehr schockieren, all dies ist endlos durch die Medien geschleift worden. Und dem Text geht es eben nicht um simple Lösungen und ein wenig mehr Würde von »Nutztieren«, sondern um fundamentale Fragen unseres Umgangs mit den Tieren.

Fazit

Der meisterhafte Text eines großen Literaten in perfekter Hörbuchfassung – das gibt eine uneingeschränkte Empfehlung.
Die Mängel im Booklet sind Nebensache. Wenn Sie das Audiobook als Denkanstoß verschenken oder verleihen – das sollten Sie unbedingt tun – lassen Sie das Beiheft einfach weg.

Matthias Boller

J.M. Coetzee
Das Leben der Tiere
Hörbuch, 2 CDs, 142 Minuten
Parlando, 2002
Preis: ca. 23 Euro

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J.M. Coetzee
Das Leben der Tiere
Gebunden – ca. 80 Seiten
S. Fischer Verlag, Frankfurt, 2000
Preis: 10 Euro
ISBN 3-10-010817-5

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